Homöopathie: Über Miasmen, Größenwahn und Unvermögen, die HoG und Ebola

Eigentlich halte ich die Erörterung der homöopathischen Theorien für überflüssig: Genug ist über die dahinterstehende Unwissenheit, über die Denkfehler, über die Fehlinterpretation homöopathischer Erfahrungen, und über den Anteil an reiner Phantasie in den Theorien schon geredet und geschrieben worden.

Jeder, der heute Globuli in der Annahme einwirft, sie könnten – als Alternative zur konventionellen Pharmazie – tatsächlich helfen, muss sich über folgendes klar sein: Alles, was wir heute darüber wissen, wie ein lebender Organismus funktioniert und wie seine Störungen, sprich Krankheiten entstehen, welche Folgen und Verläufe diese haben und wie sie zu therapieren sind, wurde von den Naturwissenschaften und der wissenschaftsbasierten Medizin herausgefunden.

Der Beitrag der Homöopathie ist null – was letztlich der banalen Tatsache geschuldet ist, dass Hahnemann (und die vorwissenschaftliche Medizin insgesamt) zu seiner Zeit so gut wie keine (technischen) Möglichkeiten hatte, eine Ätiologie zu entwickeln, die den heute erkannten Kausalitäten in der Krankheitsentstehungen auch nur ansatzweise gerecht wird.

Es ist also nicht verwunderlich, dass in der Hahnemann´schen Homöopathie die gleichen irrationalen Vorstellungen zur Krankheitsentstehung (manchmal ein wenig verkleidet) zu finden sind, welche insgesamt die vorwissenschaftliche Heilkunde in ihren vielfältigen Spielarten kennzeichnen: Zum Beispiel der Einfluss überweltlicher, göttlicher Kräfte, das Wirken von Dämonen, Hexen, Zauberern und deren „Schwarze Magie“ wie Verwünschungen oder Flüche, die kruden Ideen von krankmachende Winden oder Sumpfausdünstungen, die Störungen einer ominösen Lebenskraft, der Einfluss eines schlechten Karmas oder die Bestrafung durch höhere Entitäten für Verletzung oder Missachtung von religiösen Tabus und Ritualen.

Zwar gehört es offenbar zum menschlichen Denken, immer dann, wenn rationale Begründungen für erlebte Phänomene fehlen, auf mystische Erklärungen auszuweichen, das aber macht die mystische Erklärung nicht wahr. Ganz im Gegenteil: Der Erfolg der wissenschaftlichen Medizin, gerade auch im Bereich der Infektionsbekämpfung, liegt genau im wesentlichen Schritt vom magisch-okkulten, fatalistischen Denken zur rationalen, verifizierbaren Begründung. Erst dieser Schritt eröffnete den Weg zu den Therapieformen und Methoden der Prophylaxe, die wir heute erfolgreich nutzen.

Die Grundlagen der Homöopathie – damals wie auch heute – sind dagegen der Glaube an eine irgendwie geartete Lebenskraft, an eine geistartige Heilkraft, die sich in den homöopathischen Arzneien konkretisiert, an das dem magischen Analogiedenken geschuldeten Simileprinzip und an das genauso magische Potenzieren, für das es nicht die geringste rationale Begründung gibt, das einfach nur Ritual ohne tieferen Sinn ist.

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Das zentrale Problem: Die Miasmen-Theorie

Das Zauberwort in der Medizin heißt „Diagnose“. Damit beginnt alles.

Völlig unabhängig davon, ob letztlich Globuli oder Antibiotika verabreicht werden – wenn der Therapeut nicht in der Lage ist, nachvollziehbar und mit Beleg zu begründen, wofür, wogegen und aufgrund welcher zweifelfrei erkannten pathologischen Zusammenhänge er seine Arzneien verordnet, praktiziert er schlechte Medizin, deren Ursache es eben ist, keine korrekten und vollständige Diagnose stellen zu können.

Der gesamte diagnostische Apparat der Medizin – der labormedizinische Nachweis von pathogenen Mikroorganismen, histologische Untersuchungen an Zellpräparaten, die Analyse von Körperflüssigkeiten hinsichtlich fehlender oder im Übermaß vorhandener Stoffe, die bildgebenden Verfahren der Röntgendiagnostik, endoskopische Befunde, EEG, EKG, Gendiagnostik usw. – dient nur einem einzigen Zweck, nämlich zu klären, auf welche der vielen möglichen Ursachen die sich darstellenden Symptome einer Gesundheitsstörung zurückzuführen sind.

Alle diese Diagnoseverfahren basieren letztlich auf den Erkenntnissen der sich in kontinuierlicher Entwicklung befindenden Bio- oder Lebenswissenschaften, deren stürmische Entwicklung etwa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts – also 50 Jahre nach Hahnemann – zu einem in der bisherigen Menschheitsgeschichte nirgendwo sonst zu verzeichnenden Wissenszuwachs geführt hat.

Die Homöopathie dagegen verharrte in ihren Vorstellungen zur Krankheitsentstehung – sofern man überhaupt von konkreten Vorstellungen sprechen kann – die allein der Ideenwelt Hahnemanns entstammten. Der Begründer der Homöopathie hatte seine Therapie, was sich aus dem bemühten Versuch der Abgrenzung zur damaligen Heilkunde fast schon zwangsläufig ergab, zuerst in eine Einbahnstraße gefahren, die sich dann, als Hahnemann im fortgeschrittenen Alter die offensichtliche Untauglichkeit seines Verfahrens mit weiteren Gedankenkonstruktionen zu heilen versuchte, nicht nur als Einbahnstraße, sondern als Sackgasse entpuppte.        

Die Sackgasse der Homöopathie ist die Theorie der Miasmen (Klick), formuliert in Hahnemanns Spätwerk „Die chronischen Erkrankungen“.  

Kurz zusammengefasst besagt die homöopathische Theorie der Miasmen, dass praktisch in jedem Menschen so eine Art progredienter „Ur-Krankheit“ ihr Unwesen treibt.

Hahnemann meinte:

„(..) daß der homöopathische Arzt bei dieser Art chronischer Übel, ja bei allen (unvenerischen) chronischen Krankheitsfällen es nicht allein mit der eben vor Augen liegenden Krankheits-Erscheinung zu thun habe, sondern, daß er es immer nur mit einem abgesonderten Theile eines tief liegenden Ur-Übels zu thun habe, dessen großer Umfang in den von Zeit zu Zeit sich hervorthuenden neuen Zufällen sich zeige.“

 In der Weiterentwicklung seiner miasmatischen Theorie kommt Hahnemann schließlich zu dem Schluss, dass chronische Krankheiten „mit wenigen Ausnahmen, wahre Abkömmlinge einzig der vielgestaltigen Psora seyen. […], wenn sie nicht zu den beiden venerischen Übeln, der Syphilis und der Sycosis zu zählen sind.

Wir haben es also mit einem Klassifizierungsschema zutun, welches an die Stelle einer kausalen Ursache der einzelnen Erkrankung tritt. Krankheitssymptome unterschiedlichster Natur, werden mit mehr oder weniger sinnvollen Kriterien einem Miasma zugeordnet. Das Ziel ist eine Vereinfachung der Arzneimittelverordnung, vielleicht aber doch eher, überhaupt irgendeine Begründung für eine Verordnung zu haben.   

Das Ganze ist – im Licht des heutigen Wissens – so absurd, dass selbst der eine oder andere Homöopath den Ansichten der Gründergestalt eine Absage erteilen:

 So dürfen wir in der 2004 verfassten Doktorarbeit, der heute in der Tübinger Hahnemann-Klinik tätigen homöopathischen Ärztin Anne Carolin Medam, zu Hahnemanns Begriff der “chronische  Krankheiten” folgende erhellende Worte lesen:

“(…) Seine Definitionen von den natürlichen “chronischen Krankheiten” als miasmatisch verursachte, dauerhafte und stetig progrediente Krankheiten, welche ohne medizinische Behandlung lebenslang im Körper bestehen bleiben und niemals von selbst weichen, findet jedoch keine Bestätigung mehr, da das Auftreten von intermittierenden Verläufen, Spontanremisssionen und Spontanverläufen allgemein anerkannt ist. Ebenso wenig erscheint seine Einteilung in natürliche (miasmatische) und uneigentliche Krankheiten gegenwärtig noch angemessen. (…) Hahnemanns drei chronische Krankheiten “Syphilis”, “Sykosis” und “Psora” haben als “miasmatisch” verursachte Krankheiten heute keine Berechtigung mehr. (…) Hahnemanns monokausale Vorstellung von einer Urkrankheit und drei chronischen Miasmen ist demzufolge nicht mehr berechtigt.”

“(…) Hahnemanns monokausales Modell der Entstehung chronischer Krankheiten fordert in großen Teilen aufgegeben zu werden, und durch plurikausale Modelle der modernen Medizintheorie ersetzt zu werden.

Da hat Frau Medam wohl recht, aber was bleibt den Homöopathen dann?

Genau, nichts! Oder eben die plurikausalen Modelle der modernen Medizintheorie…

 

Auswege aus dem Miasma-Dilemma?

Zuerst einmal: Angesichts der von Frau Medam formulierten und durchaus nicht überraschenden Erkenntnisse zur Untauglichkeit der Miasmen-Lehre,  muss man sich fragen,  wieviel unnötiges menschliches Leid die eingefleischten “Miasmatiker” der Homöopathen-Gilde unter ihren Patienten in den vergangenen 200 Jahren verursacht haben und – so sieht es derzeit aus – weiterhin verursachen werden? 

Davon abgesehen, wie soll heute, im Jahr 2014, eigentlich eine sachliche Diskussion mit den Vertretern eines Verfahrens aussehen, die weiterhin an der Idee festhalten, dass die Krätze, Hand in Hand mit ihren hässlichen Schwestern Syphilis und Sykosis, die Ursache jeder chronischen Erkrankung sind?

Insoweit ist die Frage nach dem Ausweg aus dem Miasma-Dilemma ganz einfach zu beantworten: Es gibt keinen, denn mit den Vorstellungen zum miasmatischen Übel hängt der ganze Rest der Homöopathie zusammen.  

 Und das ist wohl auch der Grund, warum dieser Unsinn weiterhin gepflegt wird, warum immer neue Varianten des gleichen Themas auf der homöopathischen Bühne erscheinen, warum mit jedem Versuch, dem Quatsch doch noch irgendeine Bedeutung zu verleihen, immer absurdere Mischung aus Einzelbeobachtungen, Phantasien, unbewiesenen Vermutungen und unzulässigen Analogien auftauchen, und mit jeder weiteren Exegese der Hahnemann´schen Irrungen, das Gewirr aus Meinungen, Theorien und Beobachtungen, undurchsichtiger und widersprüchlicher wird.

 Nur mal so ein Beispiel: Windpocken sind nach Ansicht des indischen Homöopathen Vijayakar (auf den ich an anderer Stelle noch ausführlicher zu sprechen kommen) der Psora zuzurechnen, nach den Vorstellungen der Herren Laborde und Risch, ebenfalls „bedeutende Homöopathen“,  aber sykotisch. Können Sie sich vorstellen, werter Leser, wie tragfähig unter solchen Voraussetzungen die Mittelverordnung ist?

Solche Beispiele für die Zuordnung von Krankheitszuständen und/oder Symptomen zu den unterschiedlichen Miasmen gibt es so großer Zahl, das es völlig lächerlich erscheint, von einem einheitlichen Konzept und einer durchdachten Krankheitslehre zu reden.  

Weitgehend einig ist man sich nur über die grobe Zuordnung

  • Psora = funktionelle Krankheiten
  • Sykose = überschießende Krankheiten
  • Syphilis = destruktive Krankheiten.

Jedoch wurde dieses Modell nie irgendwelchen klinischen Untersuchungen unterzogen, geschweige denn verifiziert, und mit den ursprünglichen Ideen Hahnemanns hat es auch nicht mehr viel zu tun.

Warum klammern sich Homöopathen also so sehr an diese Vorstellungen?

Eine Antwort auf die Frage habe ich schon gegeben: Haut man den Tragebalken weg, bricht der Rest zusammen.

Eine zweite Antwort ist: Das miasmatische Modell ist die Basis des homöopathischen Wahns, sich mit Zuckerkügelchen selbst an schwere und schwerste(!) Pathologien heranzuwagen.

Denn durch die Loslösungen vom kausalen Modell der wissenschaftlichen Medizin, erfährt eine definierte, in ihren Ursachen und Folgen bekannte Erkrankung, ihre homöopathische Auflösung in eine Anzahl von bloßen Symptomen, die nun den Miasmen zugeordnet werden können. Und für die Behandlung der Miasmen, da hat der Homöopath dann seine Arzneien – und eine Menge von Ausreden, wenn diese nicht funktionieren.

Das ist übrigens einer der Gründe, der die Homöopathie für den einzelnen Patienten so gefährlich macht, und den unsere erste deutsche Komplementärmedizinerin mit gestiftetem Professorentitel folgendermaßen formulierte:

Diese Darstellung (Anmerkung des Verfassers: gemeint ist die im davor stehenden Text zu lesende Erklärung zu Hahnemanns Vorstellungen von der Lebenskraft ) lässt erkennen, dass die Homöopathie auf einen wichtigen Erkenntnisanspruch der konventionellen Medizin, die Suche nach den kausalen Ursachen der Krankheit, verzichtet.

 Genau.

Ebola, die HoG, Erkenntnisresistenz, Omnipotenzwahn – und ein paar Gedanken zur Ethik

 Warum erzähle ich Ihnen, werte Leser, das alles?

  •  Erstens, weil wir in Deutschland mehr oder minder betroffene Zuschauer einer todtraurigen humanitären Katastrophe sind: Ebola.
  •  Zweitens, weil wir gerade dabei sind, die Voraussetzungen zu schaffen, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft nicht nur Zuschauer, sondern auch Teilnehmer einer todtraurigen humanitären Katastrophe werden.
  •  Drittens, weil die Homöopathie und ihre Vertreter einen erheblichen Anteil an diesem Geschehen haben und, mit zunehmender Dauer des Homöopathie-Hypes, weiter haben werden.

Ich habe vor wenigen Zeilen von den Ursachen des homöopathischen Wahns, alles heilen zu können, berichtet. Dieser Wahn ist grenzenlos, die Homöopathie kennt keine unheilbaren Krankheiten, höchstens Behandlungsversagen, und das liegt nicht an der Homöopathie, sondern an bedauerlichen Umständen, die meistens der Erkrankte selbst zu verantworten hat.

So wundert es auch nicht, auf einer schauerlichen Website folgendes zu lesen:        

„Hat man die Gelegenheit, Dr. Vijayakar in seiner täglichen Praxis über die Schulter zu schauen, sieht man mit eigenen Augen, welche Möglichkeiten und Erfolge die Predictive Homöopathie bietet. Ein hoher Anteil von Patienten mit Krebserkrankungen, Aids, Multipler Sklerose, juveniler Diabetes etc. wird wieder gesund. Zu verdanken ist dies der Predictiven Homöopathie, denn die Homöopathie behandelt nicht die Krankheit im Menschen, sondern den Menschen, der krank ist.“

Holla!

Nehmen wir nur mal das „Heilen“ von juveniler, also Typ-1-Diabetes: Galt in solchen Fällen nicht bis dato, dass diese Erkrankung, wegen der irreversiblen Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen in den Langerhansschen Inselzellen der Bauchspeicheldrüse, nicht ursächlich heilbar, sondern nur therapierbar ist, und der Unheilbarkeit entsprechend, die Indikation für eine Insulintherapie ist bei Typ-1-Diabetes immer und lebenslang gegeben ist?

Richtig. Und dann kommt mal so eben ein Homöopath daher, formuliert ein bisschen an der Miasmen-Theorie herum, und zack, ist Diabetes kein Problem mehr!

Erstaunlich. Und es muss neu sein. Bei pubmed gab´s jedenfalls zum Homöopathen Prafull Vijayakar keinen Eintrag, obwohl er angeblich seit Jahren forscht – und das mit wundervollen Ergebnissen. Denn nicht nur Diabetes, Krebserkrankungen, Aids oder MS heilt der MD. (Hom) aus Mumbai mit „Psorinum“ Medorrhinum“, Syphilinum“, „Luesinum“,Tuberkulinum und , nicht zu vergessen, natürlich „Carcinosium“. An anderer Stelle wird auch das Down-Syndrom erwähnt, oder körperliche Verkrüppelungen, oder Alzheimer und Parkinson…

Eigentlich alles, was für die „Schulmedizin“ als unheilbare Erkrankungen gilt, bekommt der praktizierende Homöopath aus dem fernen Indien locker in den Griff, sogar genetische Veränderungen.

 Himmel nochmal, wer glaubt so einen Blödsinn?

 (Ich höre schon Cornelia Bajic (Klick), die mal wieder darauf hinweist, dass es sich um eine nicht repräsentative Ausnahmeerscheinung, um einen „bedauerlichen Einzelfall“…)

„Bedauerlicher Einzelfall“ mag ja sein, aber es ist einer von den vielen „Bedauerlichen Einzelfällen“ in der Homöopathie, allerdings ein sehr bizarrer. 

Deshalb nochmal, wer glaubt so einen Blödsinn?

Naja, beispielweise der DZVHÄ, der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte. Der hält nämlich Prafull Vijayakars miasmatische Fall-Beurteilungen und die Bewertung der Fallverläufe für wegweisend in der Homöopathie, und segnet eine Veranstaltung mit genau diesem als „vom DZVHÄ anerkannt“ ab (Klick).

Dann natürlich auch die Carstens-Stiftung: Die bewarb im April des Jahres ein Seminar mit einem Weggefährten Prafull Vijayakars, der dessen „Predictive Homeopathy“ den Deutschen Homöopathen näherbrachte (Klick).

Ärztlicher Leiter der vom DZVHÄ beworbenen Veranstaltung ist übrigens Christoph Laurentius, Leiter der Europäischen Bibliothek für Homöopathie, praktizierender Homöopath und Göttergatte der Pressereferentin der Homöopathen ohne Grenzen, Jutta Laurentius, die sich, der eine oder andere wird sich möglicherweise erinnern, so überschwänglich für den von der österreichischen GWUP verliehenen Preis „Das Goldene Brett 2013“ bedankte, dessen würdige Preisträger die HoG waren (Klick).

 Apropos HoG: Diese Truppe, deren Hybris ihren Treibstoff durch das miasmatische Modell erhält, darf natürlich auch nicht fehlen, wenn der Irrwitz Party feiert: Die Chefin selbst verkündete ihre Begeisterung für den forcierten Wahn schon 2012, nachdem sie ausdrücklich nochmals auf die schweren Pathologien hinwies, mit denen sich die HoG so herumschlagen. Das erstaunt ein wenig, ist Frau von Wedel doch Heilpraktikerin (Klick), und damit, gemäß gesetzlicher Regelungen, eigentlich nicht zuständig für „schwere Pathologien“, zeigt aber auch die Hemmungslosigkeit, mit der HoG die Grenzen ihrer Kompetenz überschreiten.

Schauen Sie sich, werter Leser, das Video doch noch ein zweites Mal an. Das hat nämlich was Tragisches, was vermutlich nicht auf den ersten Blick auffällt, kennen doch die meisten weder Prafull Vijayakars, noch dessen „Predictive Homeopathy„. 

Sie, werte Leser,  müssen mir deshalb glauben, dass die Frau von Wedel gerade völligen Kappes gehört hat. Um es mal so auszudrücken:  Ein an Dyskalkulie Leidender hat sich  2 Tage Zeit genommen, ihr und paar anderen Irren beizubiegen, das 2 + 2 in etwa 5 ist, oder vielleicht 7.

Nun hat Frau von Wedel einen akademischen Titel erworben, sie ist „Master of Science“. Gut, ja, es ist ein MSc. Homeopathy, es können also mildernde Umstände geltend gemacht werden, aber immerhin. Und diese Meisterin der Wissenschaft hat nicht Besseres zu tun, als darüber zu schwadronieren, wie wundervoll die didaktische Aufbereitung der Lehrstunde des Irrsinns war. Bizarr!

Kurzer Einschub: In diesem Zusammenhang sei auf eine ausnehmend wichtige Petition (Klick) verwiesen, die noch ein paar Unterschriften benötigt.

Ich mein`, da sind wir nach 200 Jahren Aufklärung, der mühsamen Ausgestaltung eines Werkzeugs namens Wissenschaft, und darauf aufbauenden 150 Jahren intensiver Forschung, nun in der Lage, uns zusammen zu setzen und zu schauen, wie es wirklich ist, wie sich die Dinge tatsächlich verhalten – und dann daraus entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen, wie wir an Herausforderungen herangehen. Ich nenne als Beispiel mal das Rezeptormodell:

Wir wissen, dass auf zellulärer Ebene bestimmte Proteine oder Proteinkomplex zu finden sind, welche in der Lage sind, Signalmoleküle zu binden. Diese Bindung löst eine üblicherweise vorübergehende Änderung der chemischen Konfiguration  der Proteine/der Proteinkomplexe aus, dadurch entstehen Signalprozesse für biochemische Veränderungen im Zellinneren.

Ein Beispiel: Etwa seit den 1950er Jahren ist uns der biochemische Prozess der muskulären Erregung im Detail bekannt: Der im Rahmen der Weiterleitung eines Nervenimpulses ausgeschüttete Neurotransmitter Acetylcholin bindet an einen Acetylcholinrezeptor der motorischen Endplatte, in Folge dieser Bindung werden  Einströmungen von Calciumionen in die Muskelzelle veranlasst, die ihrerseits die Kontraktion des Muskels bewirken.

Das ist jetzt zwar eine ziemlich grobe Darstellung, aber es funktioniert genau so und nicht anders.

Kippt man jetzt einen Stoff wie Atropin ins System, funktioniert das Ganze dann aber nicht mehr, weil Atropin – wegen seines chemischen Aufbaus – ebenfalls in der Lage ist, am Acetylcholinrezeptor zu binden – aber nicht die Calciumionen-Einströmung auslöst.

Damit haben wir die den Erkenntnisprozess zusammengeführt: Wir wissen, wie es funktioniert – und wir können daraus Schlussfolgerungen ziehen: Nämlich beispielweise die, dass Atropin in der Notfallmedizin – wegen seiner hemmenden Wirkung – als Antidot bei Vergiftungen mit Substanzen (z. B. Phosphorsäureester) eingesetzt werden kann, die ihrerseits die Wirkung der Acetylcholinesterase blockieren und dadurch für eine ständigen Erregung der Zellen sorgen, in deren Folge irgendwann die Muskulatur verkrampft und durch Atemstillstand, Blutdruckabfall und Bradykardie der Tod herbeigeführt wird.

Das Wissen um die Zusammenhänge zwischen der chemischen Struktur bestimmter Stoffe und deren biologischer Wirkung ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Medizin. Gerade entwickeln Forscher der Uni Heidelberg mit der RAGE-Hypothese (Klick) ein Modell, das möglicherweise entscheidende Erkenntnisse zur Entwicklung chronisch-degenerativer Erkrankungen liefert.

Währenddessen reanimieren die Homöopathen zum xsten Mal die insuffizienten ätiologischen Vorstellungen ihres Vordenkers, formulieren Behauptungskataloge mit dem Wissenstand des Mittelalters und verkaufen sich gegenseitig in ihren kruden Seminaren (Klick) kompletten Unsinn als der Weisheit letzter Schluss.

Logik und Überprüfbarkeit – Werkzeuge unserer rationalen Welterkundung – haben in diesen Kreisen Exotenstatus. Stattdessen bewundert man kritiklos die zusammengepusselten Evidenzen, auch wenn sie offensichtlich schwachsinnig sind, weil sie eben nachweisen, dass 2 + 2 in etwa 5 ist, oder 7.

Aber bevor ich mich jetzt ernstlich aufrege, vertage ich mal; ich bin ja auch noch edie Antwort schuldig, was das nun mit Ebola zu tun hat.

Ebola ist überall

Erinnern wir uns kurz der Bedingungen, die Ebola zu einer humanitären Katastrophe ungeahnter Dimenson haben werden lassen.

Aus Sicht der Epidemiologen ist die Ausbreitung von Ebola zum einen die Folge systemischen Versagens, das sich einerseits in mangelhafter personeller, finanzieller und apparativ-medizinischer Ausstattung der örtlichen Gesundheitssysteme, in fehlenden Schutzausrüstungen, Medikamenten und anderem medizinischen Bedarf konkretisiert, zum anderen aber auch ein Ergebnis fatalen individuellen Fehlverhaltens, dessen Ursache in grundsätzlich fehlendem epidemiologischen Wissen zu suchen ist.

Die materiellen und personellen Mängel eines defizitären Gesundheitssystems zu beseitigen ist ein leichtes Unterfangen, gemessen an der Aufgabe, individuellem  Fehlverhalten, das eben ein enormes Maß an Unwissenheit widerspiegelt, zu begegnen. Letztlich schafft aber nur – und ausschließlich – eine wissenschaftsbasierte Programmierung der ätiologischen Wahrnehmung  die Voraussetzung für den wichtigsten Aspekt der Seuchenbekämpfung, die Infektionsprophylaxe.

Infektionsprophylaxe – die Vermeidung der Ansteckung durch entsprechendes Hygieneverhalten (Klick) und die Sicherstellung des Impfschutzes (sofern ein Impfstoff existiert) – setzt aber die Einsicht in die Zusammenhänge von Erregerkontakt und nachfolgender Erkrankung voraus.

Wer diese Zusammenhänge – besonders als Therapeut – ernsthaft bestreitet, muss sich gefallen lassen, dass an seiner geistigen Gesundheit Zweifel angemeldet werden, wer seine gegenteiligen Überzeugungen auch noch durch Wort und Tat vermittelt, muss sich sagen lassen, direkt verantwortlich für Leid und Tod zu sein.

Angesichts der Dauerbenebelten unter den Alternativheilern, erscheint es deshalb dringend geboten, darüber zu reden, welchen Gefahren durch eine ideologisch veranlasste Renaissance des Mystizismus in der Medizin entstehen. Die negativen Auswirkungen der Hirnfürze des deutschen Bionade-Homöopathie-Waldorfschulen-Biedermeiers, geben schon im angeblich aufgeklärten Deutschland – beispielweise im Hinblick auf die sinnbefreite Kritik an solch erfolgreichen Verfahren wie die Impf-Prophylaxe – Anlass zur enormer Sorge. Weitaus schlimmer ist dann die Export-Abteilung der Globulisten, die „Homöopathen ohne Grenzen“.

Im Zustand der Erleuchtung, in der festen Überzeugung, ein überlegendes Heil-Konzept zu vertreten, und vollends unfähig zur Selbstkritik, sind sie der Gegenentwurf zu dringend notwendigen Entwicklung rationalen Denkens: reaktionär, regressiv, und insoweit, angesichts der sehr realen Leiden einer von Krankheiten und medizinischer Unterversorgung gebeutelten afrikanischen Bevölkerung, vor allem, ohne es freilich zu wissen, durch und durch menschenverachtend. Die Biochemikerin und Wittgenstein-Preisträgerin Reneé Schroeder (Klick), die die Laudatio für die grenzenlosen Homöopathen bei der Verleihung des Skeptiker-Preises „Das Goldene Brett 2013“ hielt, brachte es auf den Punkt:

„Wir als Menschheit, haben gelernt, dass wir verantwortlich dafür sind, was wir tun. Und dann gibt´s jetzt Homöopathen ohne Grenzen, die gehen in Gebiete, wo es wirklich Not am Kind, an der Frau, am Menschen gibt, und sie wenden eigentlich nicht das Wissen an, was die Menschheit zur Verfügung stellt“.

Darum geht es in der Kritik der Homöopathie: Um die Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass sich das Wissen der Welt seit Hahnemann so grundlegend verändert hat, dass das Beharren auf der Richtigkeit Hahnemanns Ideen als Wahn angesehen werden muss.     

Und es geht um natürlich die Stabilisierung des Wahns: Die funktioniert nämlich durch den Beifall und die Dankbarkeit von Menschen, die nicht in der Lage sind, den Wahn zu erkennen, ganz hervorragend.

Allerdings ist so ein Wahn nur befriedigend, wenn man ihn auch ausleben kann. Dafür muss man aber überleben. Und dabei ist es derzeit äußerst hilfreich, einen Schutzanzug zu tragen; zumindest in Westafrika. Der aber ist ja schon eine Bankrotterklärung für Miasmatiker.

Insoweit ist es kaum verwunderlich, wenn man im Moment nur  wenig von den Homöopathen in Sachen Ebola hört.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Restlebenszeit der meisten Ebola-Erkrankten nicht lang genug ist, um Chroniker zu werden. Und, das wissen wir ja nun zu genüge, erst bei Chronikern können Homöopathen wirklich ächte Heilkünste zeigen.

 

 

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12 Antworten zu Homöopathie: Über Miasmen, Größenwahn und Unvermögen, die HoG und Ebola

  1. Elke schreibt:

    Hat dies auf Ratgeber-News-Blog rebloggt und kommentierte:
    Wiedermal ein sehr lesenswerter Artikel von Excanwahn!

  2. Sammy schreibt:

    Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Artikel. So gut amüsiert habe ich mich schon lange nicht mehr. Und v.a. kann ich als „werte Leserin“ (ob ich das auch sein darf, wenn ich doch so eine arme irre Homöopathin bin??) wirklich ruhig schlafen, denn wenn diejenigen, die der Homöopathie ihre Wirkung und Möglichkeiten absprechen wollen, nichts Besseres und v.a. Sachlicheres zu bieten haben, dann ist ja alles gut. Beste Grüße und hoffentliche finden Sie jemanden, der Ihren Herzinfarkt gut behandelt, wenn Sie sich dann mal weiter so viel aufgeregt haben, dass Sie rot anlaufen und umkippen.

    • excanwahn schreibt:

      Gell, Sammy, es ist schon recht lustig, dass es Leute gibt, die meinen mit dem Geist des wegverdünnten Sekrets aus Krätzebläschen und dem Intellekt des Eiters aus dem Genitaltrakt von Tripperkranken alles heilen zu können, was nicht schnell genug auf dem Baum ist.
      Da haben Sie tatsächlich recht, das zu lesen macht Freude.

      Und da Sie selbst zu den Abgedrehten gehören – den wahren Schelm zeichnet doch vor allem aus, über sich selbst lachen zu können.

  3. Pingback: Kaulquappen und Klempner: Homöopathie zwischen Satire und Realsatire @ gwup | die skeptiker

  4. Ute Parsch schreibt:

    Danke für den tollen Artikel! Das Zitat aus der Habilitationsschrift von Claudia Witt kannte ich noch nicht, wieder etwas gelernt…

    Das erschreckendste am erwähnten Seminar von Vijayakar finde ich persönlich aber nicht seine Anerkennung durch DZVHÄ und Carstens-Stiftung. Ist doch in gewisser Weise die Anerkennung homöopathischer Seminare durch Homöopathen zu erwarten. Was mir wirklich kalte Schauer den Rücken runterjagt, ist dass diese Seminare über die Fortbildungsprämie staatlich (vom Bundesministerium für Bildung und Forschung) anerkannt und letztlich von der Gesellschaft mitfinanziert werden:

    http://www.predictive-homoeopathie.de/bildungspraemie.html

  5. excanwahn schreibt:

    Hallo Frau Parsch,
    erst einmal das Kompliment zurück: Mit Begeisterung lese ich Ihre (und selbstverständlich auch Dr. Austs) Analysen auf „Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie“, die mich immer wieder in meiner Überzeugung bestätigen, dass man bei jeder homöopathischen Erfolgsstory nur akribisch genug nach den Fehler suchen muss – und nicht nach einem Phänomen, für das (um das homöopathische Hoffnungsmantra zu zitieren) noch keine wissenschaftliche Erklärung existiert.

    Was das Zitat der Frau Witt angeht: Das stammt aus deren Habilitationsschrift, die insgesamt eine Chronik des homöopathischen Scheiterns ist. Das Krude ist dabei, dass Frau Witt dennoch in Sachen Homöopathie weiter geforscht hat – korrumpiert durch die Finanziers ihrer Professur, die Carstens-Stiftung.

    Möglicherweise ist es aber ein Zeichen eines gewissen Realitätssinns, dass sie sich entschloss, nach Zürich ins Exil zu gehen – ohne ihre Entourage im Schlepptau und mit der Gewissheit, nicht mehr durch weitere Homöopathie-Studien ihrer Karriere zusätzlichen Schaden zuzufügen. Ich vermute mal, dass sie keine Lust hat, wie Harald Walach oder Walter Lucadou zu enden – als traurige Beglaubiger höheren Unsinns.

    Ihrer Ansicht, dass die Finanzierung solcher dumpfen, allerhöchstens für den zweiten Arbeitsmarkt qualifizierenden „Bildungsveranstaltungen“ durch öffentliche Mittel, im Grunde viel skandalöser ist, als die armseligen Bemühungen der Homöopathen, sich gegenseitig die Unsinkbarkeit ihrer brennenden Boote zu versprechen, kann ich nur zustimmen.

    Die gleiche Diskussion läuft derzeit auch in der Heimat dieses Blödsinn verzapfenden Inders ab: Auch dort, im angeblichen homöopathischen Paradies, brodelt es mächtig – vor allem dann, wenn die Förderung der Globulisten durch die öffentliche Hand allzu offensichtlich nach Korruption riecht.

    Besonders grotesk erscheint – gerade auch im Zusammenhang mit der angesprochen Bildungsveranstaltung – dass jede Analyse des indischen Gesundheitssystems beängstigende Qualifikationsmängel vor allen bei den Vertretern der „alternativen“ Heilverfahren feststellt.

    Homöopathie ist, so böse es sich anhört, Unterklassenmedizin, ausgeübt von Dilettanten, denen der Zugang zum wissenschaftlichen Medizinstudium aus verschiedenen Gründen verwehrt wurde. Kein Inder, dem eine reguläre medizinische Ausbildung möglich ist, würde Homöopathie studieren.

    Dass diese Quacksalber weiterhin Zulauf haben, liegt eben nicht an den Heilerfolgen, sondern zuerst an der traurigen Tatsache, dass die Wissenschaftsmedizin für den größten Teil der indischen Bevölkerung einfach nicht zu bezahlen ist. Dass die meisten Inder nicht wissen, dass die Homöopathie keineswegs ein anerkannter Zweig der Medizin ist, trägt genauso zur Akzeptanz bei, wie die Unwissenheit über die Grundprinzipien der Homöopathie.

    Und wir, wir haben nichts Besseres zu tun, den Unsinn (Ich habe mich gerade durch eines der Machwerke THEORY OF ACUTES des Dr. Prafull Vijayakar gequält. Holla, die Waldfee, da tobt Unvermögen und Größenwahn, das bekommt man in dieser Größenordnung nicht so häufig vor die Augen!) öffentlich subventioniert zu importieren.

    Die einzige gerechte Strafe für den, der diesen Irrsinn mit seinem Dienstsiegel absegnet, wäre ein Versagen jeder wissenschaftsmedizinischen Versorgung, dafür aber ein Dauerabo bei indischen Homöopathen.

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