Ich versteh´mal wieder den DZVHÄ nicht: Der Verein mit ´nem Oxymoron im Namen, Standesvertretung der wahren, „ächten Heilkünstler“ in diesem unseren Lande, ist aus unerfindlichem Grund stinkig ( Klick ).
Angeblich liegt das an einer in den Augen des DZVHÄ völlig absurden Idee einer christdemokratischen Verbraucherschützerin, Globuli vom homöopathischen Geschwurbel befreien zu wollen – auf dass der Patient hinsichtlich der homöopathischen Mittelverordnung ein wenig mehr Entscheidungskompetenz gewinnt, weil dieser durch eine eindeutige Etikettierung in Zukunft im Detail weiß, wessen Geisteskraft in ihm gerade wirkt, wenn schon kein Wirkstoff mehr vorhanden ist.
Nun gefällt Mechthild Heils Idee den zentralvereinten Homöopathen aber so gar nicht, was durchaus ein wenig verwundert.
Waren doch vor geraumer Zeit auf dem DZVHÄ Blog die nachfolgenden Worte zu lesen, bei denen man keineswegs den Eindruck hatte, dass die ächten Heilkünstler mit diesen nicht einverstanden waren:
Frage: Trotzdem scheint beispielsweise eine homöopathische Behandlung sowie die Interaktion mit einem Homöopathen von vielen Menschen als Steigerung der Selbstmanagement-Kompetenz empfunden zu werden. Haben Sie eine Erklärung für dieses Phänomen?
Dr. Bettina Berger: Ja, die Behandlung bei einem Homöopathen erleben Patienten und Patientinnen als Steigerung ihrer eigenen Kompetenz, weil ihnen zuerkannt und zugemutet wird, sich selber zu beobachten und ihre Wahrnehmungen mit in den Behandlungsprozess einzubringen. Auch werden sie häufig durchaus ermuntert, Bagatellerkrankungen eigenständig zu therapieren. Das homöopathische Konzept wird häufig als auch für Laien nachvollziehbar und vermittelbar kommuniziert.
Jedoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es nicht so berauschend gut klappt mit der verständlichen Vermittlung des Konzepts. Vermeldete doch die mittlerweile im Schweizer Exil lebende, erste deutsche Professorin für Komplementärmedizin, Claudia Witt, in ihrer Habilitationsschrift:
„Eigene Erfahrungen zeigen jedoch, dass sowohl Patienten als auch Medizinstudenten oft nicht zwischen Phytotherapie und Homöopathie differenzieren. Dies könnte die hohen Prozentzahlen für Deutschland erklären (…)“
Insoweit hat Mechthild Heils Gedanke, „Laien“ ein Konzept nachvollziehbar und vermittelbar zu kommunizieren, in dem man zu allererst eine Sprache verwendet, die ein „Laie“ auch versteht, einen unübersehbaren Charme, dem wohl auch die Homöopathen verfallen müsste. Denn eine tote Sprache zur Benennung von „Arzneien“ gehört in diesem Zusammenhang sicher nicht zu den Erfolgsgaranten für „laienverständliche Kommunikation“; zumal dann, wenn sie auch noch in kryptischen Kürzeln daherkommt.
Sprach- und Sozialwissenschaftler weisen jedenfalls regelmäßig darauf hin, dass Sprachbesonderheiten, die für bestimmte Berufsgruppen typisch und dort auch akzeptabel sind, im Gespräch aber zwischen Fachmann und Laie, also z.B. zwischen Arzt und Patient, keinen Platz haben.
Die Homöopathen sollten also dankbar sein für die Anregung.
Sind sie aber nicht: Im Gegenteil, die derzeit oberste „ächte Heilkünstlerin“, die Vereinsvorsitzende Cornelia Bajic, erregt sich über eine Ekelkampagne gegen die Homöopathie unter dem „Deckmantel von Transparenz und Verbraucherschutz“.
Ekelkampagne? Weil Arzneien eine für Jedermann verständliche Bezeichnung bekommen sollen? Ob da nicht die „ächte Heilkünstlerin“ Bajic ein wenig überreagiert?
Selbst die Carstens-Stiftung, bekannt dafür, alles zutun, was den Eindruck erweckt, die Homöopathie wäre tatsächlich wirksame Medizin, hat kein Problem damit, Klartext zu schreiben – beispielweise bei der äußerst skurrilen Zusammenstellung der Homöopathischen Reiseapotheke ( Klick ). Skurril schon deswegen, weil das Top-Mittel „Okoubaka“ keine Homöopathikum ist; was die Stiftung übrigens selbst festgestellt hat ( Klick ).
Aber zurück zur Empörung der Heilkünstlerin Bajic und zur Frage, was denn nun eigentlich dagegen spricht, beispielsweise anstelle von „Bac-ts. D30“ den für jedermann verständlichen Begriff „Tuberkulöser Hoden D30“ auf das kleine Fläschchen mit den Zuckerkügelchen zu schreiben?
Und ist es nicht auch viel einfacher für den selbsttherapierenden Zuckerkugelfreund, der an gravierenden Störungen seiner Lebenskraft mit
- angstvollen Träumen
- starken nervösen Erregungen, verbunden mit der Unfähigkeit zu denken
- geschwollenem Gesicht und damit einhergehender Konjunktivitis
leidet, zu sagen: „Jawohl, jetzt brauche ich das „Sekret aus den Afterdrüsen des Stinktiers“, denn schon allein der Gedanke an eine Begegnung mit diesem erzeugt bei mir solche Symptome!“
Stände da nur, wie bisher, „Mepitis putoris“, würden sich solche Assoziationen bestimmt nicht so ohne weiteres einstellen, obwohl mit der Begrifflichkeit nichts anderes gemeint ist.
Oder, um bei den Selbstbehandlern zu bleiben, wäre es nicht viel einfacher für den Soziopathen mit Führungsverantwortung, der in seltenen lichten Momenten daran krankt, dass er unter seinen Untergebenen so beliebt ist, wie Fußpilz oder eine Geschlechtskrankheit, wenn dieser ohne größeren Rechercheaufwand im Repertorium wortwörtlich ein Mittel wie „Eiter aus dem Urogenitaltrakt von Tripperkranken“ finden würde? Alternativ würden sich auch die „Sekrete syphilitischer Geschwüre“ anbieten, wenn die Führungskraft besonders destruktiv handelt.
„Medorrhinum“ oder „Luesinum“, die lateinischen Verklausierungen der gerade genannten „Arzneien“, hätten sicher nicht die gleiche Aussagekraft.
Gleiches gilt wohl auch für „Pyrogenium“: Wie einfach wäre die Therapie für einen an fieberhaften, septischen Prozessen, schwerer Grippe und Lungenenzündung vor sich hin leidenden Zuckerkugelfreund, wenn er das zu seinem akuten Empfinden „Ich glaub´, ich geh´tot!“ passende Mittel „Verfaultes Fleisch“ ohne langwierige Übersetzungen finden könnte?
Angesicht des enormen Anteils der Do-it-yourself-Doc´s am Umsatz der Globuli-Pharmazeuten (man schätzt, dass etwa 2/3 der gesamten homöopathischen Arzneien ohne Verordungen durch einen der „ächten Heilkünstler“ über den Apothekentresen wandern) sollte es deshalb selbstverständlich sein, Produkte unmissverständlich zu bezeichnen – schon allein der für die Arzneiauswahl nötigen Assoziationen wegen.
Weiterhin muss auch die Verwechselungsgefahr bei Arzneien angesprochen werden: Wie schnell ist doch, besonders in der Hektik einer akuten Erkrankung, mal eben daneben gegriffen, und die Fläschchen mit „Acidum hydrocyanicum“, „Acidum hydrofluoricum“ oder „Acidum hydrochloricum“ verwechselt – und das mit furchtbaren Folgen. Nicht nur die ganzheitliche, tiefgreifende und deswegen einzig ächte Heilung bleibt aus, der kurzfristig verwirrte Klient absolviert wohlmöglich auch noch unfreiwillig eine Arzneimittelprüfung, weil er „Blausäure“, „Flusssäure“ und „Salzsäure“ miteinander verwechselt hat.
Die fürchterliche Konsequenz: Da sollte mit heilungbringender „Blausäure„ ein akuter Kollapszustand behandeln werden, aber nun stellen sich postwendend Karies oder Hämorrhoiden als Symptome der geprüften „Fluss-„ oder „Salzsäure“ ein.
Was für eine vermeidbare Tragik! Sie sehen also, werter Leser, Klartext tut not.
Was steckt also tatsächlich hinter dem DZVHÄ-Aufreger?
Ich weiß ja nicht, was Sie vermuten, geschätzter Leser, aber ich nehme an, dass sich etwas ganz anderes hinter der verlorenen Contenance der erfahrenen rhetorischen Trickserin Bajic verbirgt, als nur die Empörung über eine angebliche Diffamierungskampagne. Es gibt nämlich für die Homöopathen mindestens drei wesentlich bedeutsamere Motive, auf Unverständlichkeit zu bestehen:
1. Die Sorge um das Gänseblümchen auf Zucker-Image
Ein ganz wesentliches Element des homöopathischen Marketings besteht darin, den naiven Patienten im Glauben zu lassen, Homöopathie wäre überaus sanfte, selbstverständlich nebenwirkungsfreie und gleichzeitig aber hochwirksame Therapie aus Gänseblümchen, Bergwohlverleih, pürierten Marienkäferchen und Honigbienchen – und was in Klosterfrau Hildegards Kräutergarten sonst noch so kreucht, fleucht oder wurzelt.
Deswegen wäre es ein Supergau, wenn demnächst auf den Fläschchen beispielsweise
„Fluorwasserstoffsäure“, „Antimonpentoxid“ und „Arsentrioxid“ (zu gleichen Teilen), „Atropinsulfat“, „Quecksilbercyanid“, „Kupferarsenit“ , „Bariumchlorid“, „Thalliumsulfat“ oder „Salpetersaures Strychnin“
zu lesen wäre…
Einem anderen obersten „ächten Heilkünstler“ ist das auch aufgefallen:
Ralf Dissemond, Vorsitzender des Verband klassischer Homöopathen Deutschlands e.V. (VDKH) schreibt:
„Die Substanz (gemeint sind i.d.F. ekelhafte Ursubstanzen; Anm. des Verfassers) wird ja nur zur Herstellung verwendet. Sie wird im Herstellungsverfahren so hoch verdünnt, dass kein Molekül davon mehr in dem Mittel ist. Eine Kennzeichnung auf Deutsch bringt nicht mehr Klarheit, sondern nur Abschreckung. Das würde dem Mittel nicht gerecht werden.“
Manchmal reicht es ja, Homöopathen einfach nur beim Fabulieren zu zuhören, und dann einen passenden Gedanken eines wirklich großen Geistes als Kommentar zu zitieren; beispielweise einen solchen von Albert Einstein. Der wies darauf hin, dass es eine „Definition von Wahnsinn sei, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
Wenden Sie, geschätzter Leser mal diesen Gedanken auf den Sachverhalt an, den Dissemond beschreibt: Nämlich auf das ausschließliche Einwerfen von akribisch von Fremdstoffen befreiten Zuckerkügelchen zum Zwecke der Therapie unterschiedlichster Krankheitszustände…
Aber lassen wir solche grundsätzlichen Überlegungen einmal außer acht, zumal Dissemond auch nur die halbe Wahrheit sagt, weil der Sachverhalt der nicht mehr enthaltenen Ausgangsstoffe nur die Hochpotenzen ab D23 betrifft, keineswegs aber die Tiefpotenzen, von denen einige sogar so giftig sind, dass sie der Rezeptpflicht unterliegen, und begutachten nur die wenigen Sätzen seines Statements:
- Es ist in einer homöopathischen Arznei nicht drin, was drauf steht;
- Eine verständliche Bezeichnung des nicht mehr vorhandenen Inhaltsstoff schreckt den Patienten ab;
Ziehen wir mal einige Schlussfolgerungen aus dem Gesagten:
- In homöopathischen Mitteln wirkt also nicht das, was tatsächlich drin ist, sondern das, was irgendwann mal drin war. Weil das aber schon längst nicht mehr drin ist, bedarf es auch keiner eindeutigen Information über das, was mal drin war, eben weil es nicht mehr drin ist.
- Wäre es aber noch drin, würde sich der Patient wohl berechtigterweise davor fürchten.
- Und damit er – der Patient – sich nicht fürchtet, verwenden die Homöopathen eine tote Sprache (meist auch noch in Abkürzungen) zur obligatorischen Patienten- Information, wobei diese aber überhaupt nicht dazu dient, zu informieren, weil der Patient ja besser nicht erfährt, was er verordnet bekommt (zumal ja davon ohnehin nichts mehr vorhanden ist), denn vor dem – ich wiederhole mich – was er da verordnet bekommt, würde er sich fürchten, der Patient. Und das soll er nicht, weil dadurch der Nocebo-Effekt (Klick) hervorgerufen werden würde.
Ein wenig zynisch, die Argumentation des Herrn Dissemond – aber nachvollziehbar: Wenn der Nocebo-Effekt droht, würde ich, als ächter Heilkünstler auf Gedeih und Verderb vom Placebo-Effekt abhängig, auch alles dafür tun, dass mein Patient der festen Überzeugung ist, immer nur verschiedene „Gänseblümchen“ verordnet bekommt.
„Psorinium C200“ hätte deshalb nur noch wenige Chancen, wenn der Klient in Zukunft lesen dürfte, dass er „Krätze-Eiter“ verordnet bekommt. Gleich gilt wohl auch für „Hydrophobinium“ wenn der globuli-affine Gänseblümchenfreund erfahren würde, dass es sich um den „Speichel tollwütiger Hunde“ handelt, mit dem sich angeblich ganz hervorragend seine Störungen der Lebenskraft“ behandeln lassen, zu deren Symptomen überempfindliche Sinne, starke Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Konvulsionen und Krämpfe, ausgelöst durch das Hören von Wasserrauschen oder blendendem, hellem Licht, außerdem noch Knochenschmerzen, sowie Beschwerden durch extrem gesteigertes Sexualverlangen, und, last but not least, zitternde, schaudernde, bebende Empfindung durch den gesamten Körper gehören.
Angesichts solch´ breitem Anwendungsbereich wäre es doch wirklich schade, wenn der Klient, nur weil er weiß, dass er sich das Gesabber einer tollwütigen Töhle reinpfeifen soll, wegen ein paar Ekelgefühlen schaudernd davon Abstand nimmt.
Das würde, da hat Herr Dissemond recht, nicht nur dem Mittel nicht gerecht werden, wie sollen die „ächten Heilkünstler“ in Zukunft noch Erfolge haben, wenn ihnen mal locker die halbe Materia medica wegen angeekelter Klienten wegbricht?
2. Die Angst vor der Offenbarung homöopathischer Denkweisen
Ein genau so bedeutender Stressfaktor für Homöopathen dürfte darin bestehen, dass sich bei einer für den Klienten verständlichen Titulierung der Zuckerkügelchen, sich wohl bei dem einem oder anderen Klienten die Frage aufdrängt:
„Wie, um Himmels Willen, kommen die auf so etwas?
Hat tatsächlich von denen mal jemand getestet, ob dem Besitzer einer polierten Platte wirklich neues Haupthaar sprießt, wenn er „Getrocknetes Maulwurfsfell“ auf Zucker einwirft? Oder, um dem Simile-Prinzip gerecht zu werden, einem Träger einer Wallemähne eben diese verlustig geht, wenn er, in der üblichen Testdosierung D30, die vom Maulwurfsbalg nachhaltig befreiten Zückerli einwirft?
Wie kommt man, nein, wie kommen die Homöopathen auf solche Ideen?
Ich jedenfalls würde mir bei „getrocknetem Maulswurfsfell“ auf dem Flaschenetikett sofort solche Fragen stellen.
Bei „Pel Talpae D8“ ist aber ein dringendes Klärungsbedürfnis wohl deutlich weniger wenig wahrscheinlich.
Ein echter Knaller in dieser Hinsicht ist das Skandal-Mittel ( Klick , Klick ) mit dem wissenschaftlich anmutenden Namen „Oscillococcinum“.
Kaum einer der vielen tausend Patienten, die diese „Arznei“ gegen Grippe eingenommen haben, und damit dem französischen Hersteller Boiron Millionenumsätze bescherten, wird über die Herkunft und die Zusammensetzung des Mittels mal länger nachgedacht haben, wenn überhaupt.
Würde allerdings auf dem Etikett zu lesen sein: „Nicht existierendes Bakterium, Enteninnereien“, so kann man wohl davon ausgehen, dass die eine oder andere, für den verordnenden Homöopathen wohl unangenehme Frage gestellt worden wäre.
Um noch einmal auf den schon weiter oben erwähnten in Äthanol ersäuften und pürierte Marienkäfer zurückzukommen: Auch der „Coccinella septumpunctata“, seit T.F. Allen als „Cocci s.“ u.a. gegen die Symptome Zahn- und Kopfschmerzen eingesetzt, regt zum Nachdenken darüber an, was den Homöopathen Allen in den 1870er Jahren wohl zur Annahme veranlasst hat, das Insekt würde gegen das Symptom „Schmerzattacken aus entzündeten Backenzahnwurzeln“ helfen?
Interessant wäre auch eine Antwort auf die Frage nach der dahinterstehenden Idee beispielsweise bei „Sanguis soricis“, in Zukunft möglicherweise mit „Blut der norwegischen Ratte“ tituliert. Oder hinsichtlich der Arznei „Maiasaura lapidea“, verständlicher bezeichnet als „Versteinerter Saurierknochen“, angeblich verantwortlich für Syptome wie vermehrtes Sexverlangen bei Männern, Jucken im Backenbart und unter der Fußsohle, morgendliche Ekstase und der Angst, den Kopf abgebissen zu bekommen…
Über die Idee, „Hundekot“, sorgsam als „Ex. can.“ verkleidet, als Arznei zu verwenden, will ich lieber nicht informiert werden – da würde mir schon die allgemeinverständliche Etikettierung ausreichen.
Das gilt im Grunde auch für die nachfolgenden (räusper) „Arzneien“, für die in jüngerer Zeit homöopathische Arzneimittelprüfungen durchgeführt wurden:
Würfelqualle, Kondor, Kaurischnecke, Taube, Adler, Falke, Fliege, Ibis, Koala, Lama-Milch, Ara, Rabe, Rotschwanzhabicht, Spinnwebe, Stachelrochen, Schwan, Truthahn, Geier, AIDS, Chlamydia, Banyan (bengalische Feige), Feige, Redwood, Alabaster, Benzin, Lapislazuli, Lithiumcarbonat, Mobiltelefon, Perle, Radium bromatum, Rubin, Schiefer, Wolfram, Positron, Plutonium, Uran…
Nicht zu vergessen die Vielzahl von Lac-Arzneien, womit die Muttermilch diverser Säugetiere wie Pferd, Rind, Schaf und Ziege, Hund (von Basset bis Windhund) , Wolf, Puma, Löwe und Hauskatze, Delphin, Afrikanischer und Indischer Elefant oder auch Rhesus-Affe gemeint ist.
Eine Sonderstellung nimmt die „Muttermilch“ der Hominiden ein, bei denen eine feinnervige Differenzierung zwischen der „Muttermilch für einen Knaben“, verklausuliert zu „Lac humanum masc.“, und der „Muttermilch für einen weiblichen Säugling“, verklausuliert zu „Lac hum. fem.“ offenbar nötig wurde.
Auf das Geschlecht des Säuglings wurde, das erscheint ein wenig inkonsequent, beim zur Arznei gewordenen „Mutterkuchen“, bisher „Placenta humana“ genauso wenig abgestellt, wie bei „Vernix caseosa“, in Zukunft „Käseschmiere vom Neugeborenen“. Hier besteht wohl noch Forschungsbedarf.
Sie sehen also, geschätzter Leser, die Homöopathen, vor allem die Modernisierer der Lehre, erklären alles zu Arzneien, was nicht schnell genug auf dem Baum oder in der Abfalltonne ist.
So gesehen hat die Frau Bajic, wenn sie von vereinzelten Mitteln spricht, die dem Normalmenschen etwas ungewöhnlich vorkommen könnten, mit dieser Behauptung nicht so ganz recht. Genau genommen lügt sie, dass sich die Balken biegen, denn sie kennt, davon darf man bei der Vorsitzenden eines Homöopathen-Verbandes ausgehen, das Spektrum des Irrsinns ganz genau. So genau, dass es im Grunde ein Frechheit ist, von einer Kampagne gegen die Homöopathie zu sprechen. Da muss der Hinweis des skeptischen Verbrauchers ausreichen: „We didn’t start the fire!“
3. Die Angst, den Medikamenten-Status für Globuli & Co. zu verlieren
Das Bestehen auf der lateinischen Verklausulierung von Gedöns und Kram hat noch einen dritten, für Homöopathen äußerst bedeutsamen Hintergrund: Die für den Patienten nicht oder nur beschränkt nachvollziehbaren Benennungen homoöpathischer Arzneien sind ein wesentlicher Aspekt der Apothekenpflicht homöopathischer Mittel, weil sich daran eine Informationspflicht und -möglichkeit durch den Apotheker knüpft.
Die Information des Patienten, das wissen wir mittlerweile, interessiert aber Homöopathen weitaus weniger, als die Tatsache, dass das Gedöns durch den ausschließlichen Verkauf in der Apotheke nicht nur eine Aufwertung als Produkt erhält, sondern auch seine Erstattungsfähigkeit durch die Kassen.
Im Grunde ist es ja auch ein enormer Widerspruch, einerseits die wissenschaftliche Medizin mit ihren Institutionen grundsätzlich abzulehnen, aber trotzdem darauf zu bestehen, als Pharmako-Therapie wahrgenommen zu werden. Auch die Strategie, die Homöopathen veranlasst, sich trotz der Kritik an wissenschaftlicher Methodik im universitären Millieu installieren zu wollen, fällt in das gleiche Kapitel, nämlich „Brot und Butter“.
Es geht bei diesen Strategien in erster Linie um den umsatzbringenden, naiven Durchschnittspatienten, der laut Stiftungs-Professorin Witt (s.o.) nicht zwischen Pflanzenheilkunde und Hahnemannschem Unsinn unterscheiden kann. Otto Normalpatient ist nämlich davon überzeugt, immer nur „Bellis perennis“ , also das „Gänseblümchen“ verordnet zu bekommen, und hält erfahrungsgemäß „Tub. bov.“ für dessen nahen Verwandten, auch wenn damit eigentlich das „Lymphdrüsengewebe eines tuberkulosekranken Rindes“ gemeint ist. Und kein Homöopath hat Interesse daran, ihn von seinem Irrglauben zu befreien.
Wie wichtig im Übrigen den Homöopathen die Apothekenpflicht ihrer Arzneien ist, zeigt ein Antrag des Homöopathie-Produzenten Pflüger (das ist der mit dem P auf den ebenfalls von ihm produzierten, völlig beknackten Schüssler-Salzen) aus 2009 beim Sachverständigen-Ausschuss für Apothekenpflicht, bei dem es darum ging, alle homöopathische Traditionsmittel, die sich im nach § 109a AMG im Status „freiverkäuflich“ befinden, in den Status „apothekenpflichtig“ zu überführen. Der Antrag wurde allerdings abgelehnt.
Insgesamt kann man davon ausgehen, dass ein möglicher Wegfall der Apothekenpflicht, zu dem Mechthild Heils Vorschlag möglicherweise beitragen würde, nicht nur den CEOs der Huschi-Fuschi-Pharmazie Alpträume oder gänzlich schlaflose Nächte bereitet:
Hatte man doch bei der der Arzneimittel-Sicherheit dienenden Novellierung des Arzneimittelgesetzes in den letzten Jahrzehnten, das unvergleichliche Kunststück geschafft, einen Parallel-Standard zu etablieren, beim dem Wirksamkeitsnachweise durch Wirksamkeitsvermutung, und systematisierte Kontrollen durch den Binnenkonsens der jweiligen Therapierichtung ersetzt wurden. Und alles nur, um Arznei zu bleiben, aber so gut wie keine der damit verbundenen Verpflichtungen erfüllen zu müssen…
Falls ein homöopathie-affiner Leser es bis hierhin geschafft haben sollte: Hand auf´s Herz, werter Globuli-Freund, würden Sie sich oder beispielweise ihren Nachwuchs, in einen Reisebus setzen, der vom Bundesverband der Hinterhof-Bastler und Do-it-Yourself-Schrauber anstelle einer TÜV-Prüfung das Testat erhalten halt: „Nach reichlicher Diskussion haben wir uns zu dem Urteil durchringen können: Ja, mit ein bißchen Glück könnte es die Mühle möglicherweise bis zum Gardasee schaffen. Wir haben schon solche Fälle erlebt. Wir wissen nicht wie, aber es hat geklappt.“
Falls Ihnen das absurd vorkommt: Wenn Sie Globuli einwerfen, sitzen Sie in solch´einem Bus.
Herrlich! 🙂
Pingback: Was Sie über die Homöopathie wirklich wissen sollten… Teil 2 |
Pingback: Was Sie über die Homöopathie wirklich wissen sollten… Teil 3.2 |
Was ich mich bei einigen der genannten Substanzen doch verstärkt frage — wie um alles in der Welt kommen die Hersteller homöopathischer Mittel heute an den “Speichel tollwütiger Hunde” oder “Eiter aus dem Urogenitaltrakt von Tripperkranken”, um daraus ihre Verdünnungsreihen zu starten?
Tollwut ist heute ja glücklicherweise hierzulande kaum noch verbreitet und sollte bei irgendeinem bedauernswerten Vierbeiner auch nur der Verdacht bestehen (am ehesten noch bei importierten ungeimpften Straßenhunden), wird dieser ja nun einmal postwendend eingeschläfert und ich bezweifle, dass vorher die DHU angerufen wird, um ein wenig Speichel zu entnehmen. Oder fangen die todesmutig in Ländern wie Indien einen tollwütigen Straßenhund ein?
Auch Geschlechtskrankheiten sind glücklicherweise ja kein Alltag mehr und die meisten Betroffenen hoffentlich schnell in kompetenter Behandlung und würden wohl auf das Ansinnen, etwas Eiter zu spenden eher befremdet reagieren (wer seinen Tripper beim Homöopathen behandeln lässt, kommt aber natürlich in Frage).
Oder ist irgendwo versiegelt ein Vorrat all dieser wundersamen „Ursubstanzen“ angelegt worden (die benötigten Mengen sind ja — vorsichtig formuliert — geringfügig) und was passiert, wenn die aufgebraucht sind oder durch ein Unglück vernichtet werden? Ist die Homöopathie dann am Ende?
Oder könnte es gar sein, dass am Ende gleich darauf verzichtet wird, eine Substanz zu verwenden, die anschließend ohnehin rausverdünnt wird?
PS: Neben der Tatsache, dass die lateinischen Bezeichnungen nicht nur für die meisten Menschen unverständlich sind und zudem Wissenschaftlichkeit suggerieren, wird ja perfiderweise auch noch abgekürzt, so dass auch lateinisches Grundwissen (und/oder ein wenig Artenkenntnis) nicht weiter helfen — dass “Coccinella septumpunctata” der herkömmliche Marienkäfer (genau: die hierzulande häufigste Marienkäferart) ist, ist mir bekannt, „cocc. s.“ sagt da wesentlich weniger aus.
Normalerweise lese ich zu dem Thema mit dickem Hals. Dass es auch so unterhaltend sein kann, dafür bedanke ich mich! Witer so! Wenn es mir auch so erscheint, als rennt man gegen eine Gummiwand an …