Vergoldete Pißrinne

Wenn sie – die Alternativheilerei –  einstmals von Historikern betrachtet werden wird, werden diese feststellen, dass ihre Anhänger, zur Zementierung der notwendigen Fremd- und Selbsttäuschung, zwei bedauerliche menschliche Fähigkeiten zur höchsten Vollendung entwickelt haben:  Ignoranz und Borniertheit.

Gut, ja, die Lüge auch. Die ist die Dritte im Bunde.

Aber „Lüge“ ist so absichtsvoll – und sie trifft deshalb nur auf die Propheten zu, von denen man annehmen darf, dass sie den Unsinn, den sie reden, genau erkennen, aber dennoch keinen Skrupel haben, ihn zu verkünden.

Solche Propheten, wie diese Wissenschafts-Karikaturen, die sich seit einigen Jahren an der altehrwürdigen Viadrina um Harald Walach und an der Charité um Claudia Witt angesammelt haben oder der sich bramarbasierend als Medizin-Journalist titulierende Lautsprecher der CAM-Szene, Claus Fritzsche, sollten sich deshalb ab und an ein Brecht-Zitat zu Gemüte führen:

„Wer Wahrheit nicht weiß, ist bloß ein Dummkopf, aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher.“  

Im Gegensatz zur Lüge, bei der es bekanntlich mehr um Fremdtäuschung geht, dienen jedoch die Ignoranz und natürlich auch ihre hässliche Schwester, die Bornierheit, in der Alternativheiler-Szene vor allem dazu, sich vor den Zumutung der Realität zu schützen, also der Selbststäuschung.

Ignoranz und Borniertheit sind der alles zusammenhaltende Generalbass der Kakophonie vom heilsamen Unsinn.

Sie sorgen dafür, dass das buntgemischte alternative Gejohle wenigstens etwas Gemeinsames hat; und wenn es nur die Überzeugung ist, alles an inter-subjektiven Erkenntnissen ausblenden zu dürfen, was nicht dem jeweiligen Wunschdenken entspricht.

Insoweit spricht viel dafür, es den Vertretern der Alternativmedizin gleichzutun; beispielweise, sie einfach zu ignorieren. Wohl wissend, dass der seriösen Medizin dadurch kein Schaden, nicht einmal ein Nachteil entsteht.

Allerdings spricht wenigstens genauso viel dafür, dass es auf Dauer wohl kein Erfolgsrezept ist, unangenehme Realität völlig auszublenden; vor allem, wenn diese    CAM Media.watch heißt…

Für die, die sich in der Eso-Heiler-Szene nicht so auskennen:  CAM Media.watch ist ein „Projekt“ des schon weiter oben genannten Betriebswirts und Gelegenheits-Inders     Claus – Wes` Brot ich eß- des Lied ich sing – Fritzsche, der von sich selbst, wie ebenfalls schon erwähnt, als Medizinjournalist redet (was nur er selber so richtig glaubt, sonst jedoch niemand), von anderen jedoch als Mietmaul der CAM-Szene bezeichnet wird (was er zwar selbst nicht glaubt, dafür aber der Rest der Welt, selbst die alternativen Heiler und Pillendreher).

Die haben nun, treu ihrer Einschätzung folgend, Herrn Fritzsches Projekt mit einer zusätzlichen Finanzierung versehen, was dieser mit stolzgeschwellter Brust vor kurzem zu vermelden hatte.

Mittlerweile vergolden also nicht nur Homöopathie-Klitschen wie die DHU, die Fritzsche Pißrinne, in der die CAM-Szene (frei nach Georg Schramm) ihre Sprechblasen entleeren darf, sondern auch die Anthro-Pharmabuden Wala und Weleda.  Von den Steiner-Jüngern geadelt, wird aus dem niederrheinischen  Mietmaul ordinaire nun ein Mietmaul Deluxe.

Nun ist dieses Ereignis nicht so bedeutend, dass man es nicht vielleicht hätte doch ignorieren können – gäbe es da nicht einen Anlass, der zumindest dem Timing der Angelegenheit ein Haut-Gout vermittelt, wie es eine abgehängte Wildsau – kurz vor dem Übergang  in die Verwesung – nicht besser hinbekommen würde:

Vor kurzem hat nämlich eine anderes Leuchtfeuer der CAM-Szene, die Stiftungsprofessorin Claudia Witt, eine Studie zur Behandlung von Rückenschmerzen durch Injektionen von Disci/ Rhus. Tox., einem Dauerbrenner aus der anthroposophischen Pharma-Schmiede Wala, vorgelegt:

Efficacy of injections with Disci/Rhus toxicodendron compositum for chronic low back pain–a randomized placebo-controlled trial.

Pach D, Brinkhaus B, Roll S, Wegscheider K, Icke K, Willich SN, Witt CM.

Institute for Social Medicine, Epidemiology and Health Economics, Charité University Medical Center Berlin, Berlin, Germany.  (1)  

Da die Studie, was in alternativmedizinischen Kreisen nicht unbedingt üblich ist, zumindest auf den ersten Blick wissenschaftlich einwandfrei konzeptioniert wurde, kommt  die Witt-Gruppe (fast schon zwangsläufig) zu folgendem Ergebnis:

„Es konnte keine Überlegenheit von Disci / Rhus toxicodendron compositum gegenüber Placebo-Injektionen bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen gezeigt werden.
 Allerdings war Injektions-Therapie sicher, und es konnte, verglichen mit der Kontrollgruppe ohne Behandlung, eine kurzfristige Reduzierung des Schmerzes durch subkutane Injektionen von Verum und Placebo erreicht werden.
 Die Rolle der lokalen subkutanen Injektionen von unbedenklichen Substanzen wie Wasser und Salzlösung für Schmerzen im unteren Rücken-Management sollte weiter untersucht werden. 
(2)   

Dieses – irgendwie nicht ganz unerwartete – Resultat der Exploration fortgeschrittener Abwegigkeit, dürfte Wala wohl nicht erfreut haben, und bei den Witt-Finanziers, der CAM-Lobbyisten-Truppe Karl und Veronica Carsten-Stiftung, kann man getrost annehmen, dass auch diese sich im zirkulären Denken gestört fühlt. Denn die haben, vermutlich aus Solidarität, aus dem Witt´schen Schlußsatz folgendes gemacht:

„Fakt ist jedoch, dass die Disci/Rhus toxicodendron compositum Injektionslösung ebenso schmerzlindernd wirkte wie die Placebo-Lösung und im Vergleich zu anderen Injektionslösungen keine Nebenwirkungen aufweist. Weitere Studien zu der Wirksamkeit dieses Komplexmittels sind wünschenswert.“  (3)

Ich bin mir sicher, dass Sie, werter Leser, den Unterschied sehen.

Einzig und allein den Herrn Fritzsche, Sprachrohr des Irrsinns, dürfte das Ergebnis erfreuen. Gilt doch unter Vertrieblern und Werbe-Fuzzies das geflügelte Wort:

Der Werbeaufwand verhält sich stets umgekehrt proportional zur Qualität des Produkts.

Und von irgendwas muss ja auch jemand wie der Herr Fritzsche leben, oder?

Quellen:

(1) http://epidemiologie.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/m_cc01/epidemiologie/Projekte_de/DISCIde.pdf

(2) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22087222

(3) Carstens-Stiftung

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8 Antworten zu Vergoldete Pißrinne

  1. ama schreibt:

    [*QUOTE*]
    ———————————————————————–
    Substance Name of the Substance: urina equina
    English common name
    horse’s Urine French common name
    German common name
    Pferdeurin
    New Substance
    Explaining the new Substance

    Proving InformationPrinciple Investigator
    Eberle Hans and Ritzer Friedrich Country:
    Germany Year of proving:
    1997
    Proving method:
    Hahnemannian About Proving Methods Number of volunteers:
    Language:

    ManufacturerOriginal manufacturer:
    Helios Pharmacy (www.helios.co.uk) Also available from:
    Search the Manufacturers Database
    New manufacturer name:
    New manufacturer country:

    New manufacturer Phone:
    New manufacturer Fax:
    New manufacturer Email:
    ContactContact name/organization:
    Country:

    Address: (street, city, zip)

    Contact Phone:
    Contact Fax:
    Contact Email:

    Website about proving: Published in book/journal:
    Unterlagen bei Autoren
    Added to Repertory: – –

    FileProving Document: No file has been posted. Information about the file:

    File Size: 0 Kb File language:
    ———————————————————————–
    [*/QUOTE*]

    Quelle:
    http://dynamis.edu/eng/php/search2.php?letter=u

    Der Weg vom Hundekot (1996) zum Pferdeurin (1997) folgte anscheinend einem Hang zur lukrativen Verwendung von Dung und Gülle, gemäß der Doktrin, daß aus ScheiBe Geld zu machen sei.

  2. Pingback: “Mietmäuler” und Co. @ gwup | die skeptiker

  3. Klaus schreibt:

    „Werbe-Fuzzies“. Schon recht passend.
    Besser: „Reklame-Fuzzies“, das ärgert die noch mehr.

  4. Pingback: Homöopathie-Lobbyisten ohne Schamgrenzen @ gwup | die skeptiker

  5. Gabriele Göhring-Hamacher schreibt:

    gibt es nicht auch pharma-lobbyisten? warum dann auch nicht anthro-fuzzies?

    • excanwahn schreibt:

      Werte Frau Göhring-Hamacher,

      selbstverständlich haben Anthro-Fuzzies die gleiche Existenzberechtigung wie die Pharma-Lobbyisten; schließlich hat jeder das Recht, für seine fundamentalen Interessen einzutreten, und seien sie noch so abgedreht.

      Allerdings, wenn wir uns solcher Toleranz befleissigen, sollten wir immer daran denken, dass Wahn und Sinn meist gut voneinander zu unterscheiden sind.

      Deswegen steht´s zwischen wissenschaftsbasierter Pharmazie und anthroposophischer Spagyrik ungefähr 278 zu 0; und das Ergebnis wird sich nicht zu Gunsten der Anthro-Fuzzies ändern. Ganz sicher nicht.

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